Annual Meeting Linguistic Pragmatics 2025

Metapragmatik: Wenn Sprachgebrauch zum Thema wird

Johannes Gutenberg University Mainz, Philosophicum (Jakob-Welder-Weg 18), P 106

Tuesday, March 4th 2025

Organizers: Susanne Kabatnik (Trier), Marie-Luis Merten (Zürich), Sören Stumpf (München), Sebastian Zollner (Greifswald)

Wiederkehrend wird Sprachgebrauch zum „Gegenstand sozialer Reflexion“ (Spitzmüller 2019: 11), ob beispielsweise in Form von Kommentardiskussionen auf verschiedenen digitalen Platt- formen, in der Face-to-Face-Interaktion zwischen sprachreflexiven Personen, in schulischen so- wie weiteren institutionellen Kontexten oder in öffentlich-politischen Debatten. Wir beobach- ten vielfältige Aushandlungsprozesse über den sozial stratifizierten, situativ angemessenen so- wie vermeintlich richtigen (wie auch falschen) Sprachgebrauch. Im Mittelpunkt dieser Aushand- lungen stehen unter anderem die pragmatische Prägung von Sprachressourcen (Feilke 1996) wie auch der soziale „Wert von Sprachen und Sprachgebräuchen“ (Spitzmüller 2022: 252). Wesent- liches Mittel dieser Reflexion von Sprachgebrauch(smustern) ist dabei wiederum Sprache selbst (grundlegend zum Phänomenbereich sprachlicher Reflexivität Busch et al. 2022); sei es in Gestalt impliziter oder stärker expliziter Sprachressourcen (Verschueren 2021: 120). Innerhalb der lin- guistischen Forschung sind mit diesen Beobachtungen hauptsächlich Fragestellungen einer weit gefassten Metapragmatik angesprochen (Silverstein 1993; Hübler 2011; Spitzmüller 2019, 2023; Verschueren 2022), die von offensichtlichen Berührungspunkten mit der (interaktional- soziolinguistisch fokussierten) Positionierungs- und Sprachideologieforschung geprägt ist (Spitz- müller 2022: Kap. 7) und u.a. (polito- und diskurslinguistischen) Untersuchungen zu Sprachthe- matisierungen nahesteht (Wengeler 1996; Bubenhofer & Scharloth 2014).

Wir möchten die Jahrestagung 2025 der Arbeitsgemeinschaft Linguistische Pragmatik dazu nut- zen, aktuelle Forschungsbemühungen auf dem Feld der Metapragmatik zusammenzuführen, über theoretische Modellierungen wie auch methodische Herangehensweisen der gegenwärti- gen Metapragmatik zu diskutieren und gemeinsam zukünftige Perspektiven dieses zentralen pragmatischen Gegenstandbereichs auszuloten. Die Vorträge können zum Beispiel die folgen- den Phänomenbereiche und Perspektiven in den Mittelpunkt ihrer Analyse rücken:

  1. Metapragmatische (Sprach-)Ressourcen, also solche kommunikativen Mittel und Muster, mit denen implizit wie auch explizit auf sprachliches Handeln Bezug genommen wird (Ver- schueren 2021; Beiträge in Busch et 2022)
  2. Metapragmatische Aushandlungen in unterschiedlichen Kommunikationsformaten, sei es beispielsweise in Gespräch und Text oder in der digitalen Kommunikation (Techtmeier 2001; Molodychenko & Spitzmüller 2021; Ädel 2021; Frick 2022; Merten 2024)
  3. Divergierende metapragmatische Diskurse, etwa zu Fragen des Fremdwortgebrauchs, des (Un-)Sagbaren, des Genderns, der mehrsprachigen Praxis oder Leichter Sprache (Spitzmül- ler 2005; Seiler Brylla 2019; Busch 2020; Bock 2021; Völker & Spieß 2023)
  4. Metapragmatik und Didaktik, etwa was die Reflexion und Vermittlung metapragmatischen Wissens betrifft (Verschueren 2000; Mertz & Yovel 2002)
  5. Methodologie und Methoden der metapragmatischen Forschung, beispielsweise mit Blick auf korpusbasierte Zugänge (Haugh 2018) oder gesprächsanalytische Ansätze (Völker 2023)

Keynote: Florian Busch (Bern)

Die Keynote von Prof. Dr. Florian Busch (Bern) mit dem Titel „Multimodale Metapragmatik: Von den Sprach- zu Kommunikationsideologien“ wird live gestreamt. Weitere Informationen zum Live-Stream finden sich in Kürze auch auf unserer Homepage: https://www.alp-verein.de/

Literatur

Ädel, Annelie (2021): Reflections on Reflexivity in Digital Communication: Towards a Third Wave of Meta- discourse Studies. In: D’Angelo, Larissa/Mauranen, Anna/Maci, Stefania (Hg.): Metadiscourse in Dig- ital Communication. New Research, Approaches and Methodologies. Cham: Palgrave Macmillan, S. 37–64.

Bock, Bettina M. (2021): „Wir alle“ und „fremdsprachige Kinder“. Soziale Ein- und Ausschließung in meta- pragmatischen Diskursen. In: Lublin Studies in Modern Languages and Literature 45.2, S. 147–159.

Bubenhofer, Noah/Scharloth, Joachim (2014): Sprachthematisierungen: Ein korpuslinguistisch-frequenz- orientierter Zugang. In: Aptum. Zeitschrift für Sprachkritik und Sprachkultur 10, S. 140–154.

Busch, Florian (2020): Writing Gender. Geschlechterrollen und metapragmatische Positionierung im digi- talen Schreiben. In: Androutsopoulos, Jannis/Busch, Florian (Hg.): Register des Graphischen. Varia- tion, Interaktion und Reflexion in der digitalen Schriftlichkeit. Berlin, Boston: De Gruyter, S. 215–252.

Busch, Florian/Droste, Pepe/Wessels, Elisa (2022): Sprachreflexive Praktiken. In: Busch, Florian/Droste, Pepe/Wessels, Elisa (Hg.): Sprachreflexive Praktiken. Empirische Perspektiven auf Metakommunikation. Berlin, Heidelberg: Springer, S. 1–19.

Feilke, Helmuth (1996): Sprache als soziale Gestalt. Ausdruck, Prägung und die Ordnung der sprachlichen Typik. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.

Frick, Karina (2022): Mediatisierte Praktiken der kollektiven Anteilnahme im Fokus metapragmatischer Kritik. In: Busch, Florian/Droste, Pepe/Wessels, Elisa (Hg.): Sprachreflexive Praktiken. Empirische Per- spektiven auf Metakommunikation. Berlin, Heidelberg: Springer, S. 199–219.

Haugh, Michael (2018): Corpus-based metapragmatics. In: Jucker, Andreas H./Schneider, Klaus P./Bublitz, Wolfram (Hg.): Methods in pragmatics. Berlin, Boston: De Gruyter, S. 619–644.

Hübler, Axel (2011): Metapragmatics. In: Bublitz, Wolfram/Norrick, Neal R. (Hg.): Foundations of Pragmatics. Berlin, Boston: De Gruyter, S. 107–136.

Molodychenko, Evgeni N./Spitzmüller, Jürgen (2021): Metapragmatics and genre: Connecting the strands. In: Russian Journal of Linguistics 25.1, S. 89–104.

Merten, Marie-Luis (2024): Digitale Öffentlichkeit(en) metapragmatisch. Zur Aushandlung und Über- schreitung kommunikativer Grenzen am Beispiel des Bodyshamings auf YouTube. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 52.1, S. 65–94.

Mertz, Elizabeth/Yovel, Jonathan (2002): Metalinguistic awareness. In: Verschueren, Jef/Östman, Jan- Ola/Blommaert, Jan/Bulcaen, Chris (Hg.): Handbook of Pragmatics. Amsterdam: Benjamins, S. 1–26. Seiler Brylla, Charlotte (2019): Der schwedische „Meinungskorridor“: Metapragmatische Verhandlungen über Sagbarkeitsgrenzen im öffentlichen Diskurs Schwedens. In: Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie 95, S. 21–42.

Silverstein, Michael (1993): Metapragmatic discourse and metapragmatic function. In: Lucy, John A. (Hg.): Reflexive language. Reported speech and metapragmatics. Cambridge: Cambridge University Press, 33–58.

Spitzmüller, Jürgen (2005): Metasprachdiskurse. Einstellungen zu Anglizismen und ihre wissenschaftliche Rezeption. Berlin, New York: De Gruyter.

Spitzmüller, Jürgen (2013): Metapragmatik, Indexikalität, soziale Registrierung. In: Zeitschrift für Diskurs- forschung 3, S. 263–287.

Spitzmüller, Jürgen (2019): ‚Sprache‘ – ‚Metasprache‘ – ‚Metapragmatik‘: Sprache und sprachliches Han- deln als Gegenstand sozialer Reflexion. In: Antos, Gerd/Niehr, Thomas/Spitzmüller, Jürgen (Hg.): Handbuch Sprache im Urteil der Öffentlichkeit. Berlin, Boston: De Gruyter, S. 11–30.

Spitzmüller, Jürgen (2022): Soziolinguistik. Eine Einführung. Berlin: J.B. Metzler.

Spitzmüller, Jürgen (2023): Metapragmatische Positionierung. Reflexive Verortung zwischen Interaktion und Ideologie. In: Dang-Anh, Mark (Hg.): Politisches Positionieren. Sprachliche und soziale Praktiken. Heidelberg: Winter, S. 39–66.

Techtmeier, Bärbel (2001): Form und Funktion von Metakommunikation im Gespräch. In: Brinker, Klaus (Hg.): Text- und Gesprächslinguistik. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung / 2. Halbband. Berlin, New York: De Gruyter, S. 1449–1463.

Verschueren, Jef (2000): Notes on the role of metapragmatic awareness in language use. In: Pragmatics 10.4, S. 439–456.

Verschueren, Jef (2022): Metapragmatics. In: Verschueren, Jef/Östman, Jan-Ola (Hg.): Handbook of prag- matics. Manual. Second Edition. Amsterdam: Benjamins, S. 948–953.

Völker, Hanna (2023): „Deshalb verweise ich auf die Wortwahl“ – Zur Funktionalität parlamentarischer Sprachthematisierungen im Kontext sprachlicher Grenzziehungspraktiken. In: Merten, Marie- Luis/Kabatnik, Susanne/Kuck, Kristin/Bülow, Lars/Mroczynski, Robert (Hg.): Sprachliche Grenzzie- hungspraktiken. Analysefelder und Perspektiven. Tübingen: Narr, S. 25–45.

Völker, Hanna/Spieß, Constanze (2023): „Wir reden über die wie über Ungeziefer“ – Sprachliche Positio- nierungspraktiken im Migrationsdiskurs. In: Dang-Anh, Mark (Hg.): Politisches Positionieren. Sprach- liche und soziale Praktiken. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, S. 247–268.

Wengeler, Martin (1996): Sprachthematisierungen in argumentativer Funktion. Eine Typologie. In: Böke, Karin/Jung, Matthias/Wengeler, Martin (Hg.): Öffentlicher Sprachgebrauch. Praktische, theoretische und historische Perspektiven. Georg Stötzel zum 60. Geburtstag gewidmet. Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 413–430.

Registration

Über Anmeldungen zur Tagung (oder zum Live-Stream der Keynote) bis zum 2. März 2025 freuen sich die Organisierenden sehr.

Anmeldung: bis zum 2. März 2025 per E-Mail an kontakt@alp-verein.de

Teilnahmegebühren:

Studierende: 5,– €

Mitglieder: 10,– €

Nicht-Mitglieder: 20,– €

ALP | e.V., IBAN: DE64 3016 0213 2302 8970 10

Program

Download (Pdf)

9:00–9:15

Begrüßung und Einführung

9:15–10:00

Florian Busch (Bern)

Multimodale Metapragmatik: Von den Sprach- zu Kommunikationsideologien

10:00–10:30

Philipp Striedl (Zürich)

Metapragmatische Stereotype im Vergleich: Diskursanalyse und Umfragedaten

10:30–11:00

Kaffeepause

11:00–11:30

Georg Albert & Myriam Goll (Landau)

Metapragmatische Sanktionierungen in (Polit-)Talkshows

11:30–12:00

Melani Schröter & Pia Schmüser (Reading/Halle-Wittenberg)

Metapragmatische Reflexionen und deren Wandel zwischen 1840 und 1950 in deutschen und britischen Tagebüchern

12:00–12.30

Julia Sacher & Björn Stövesand (Köln/Bielefeld)

Metasprachliche Praktiken im Kontext der Hochschulsozialisation: Die Verwendung von Fachsprache

12:30–14:00

Mittagspause

14:00–14:30

Uwe-A. Küttner (Mannheim)

Metapragmatik im Umgang mit Sprachassistenten: Von metakommunikativen Kommentierungen bis zur ‚Pseudo-Interaktion’

14:30–15:00

Hannah Sawall & Marlén Jacobshagen (Frankfurt an der Oder)

„Ich habe grade den Hund verwirrt” vs. „Alexa hört nicht zu”: Metapragmatik zwischen Menschen, Tieren und Maschinen

15:00–15:30

Britta Schneider (Frankfurt an der Oder)

Was ist richtige Sprache in algorithmischer Kultur? Sprachideologie und Sprachreflexion im Kontext von KI-Design

15:30–16:00

Kaffeepause

16:00–16:30

Mirjam Weiß (Greifswald)

„Say no to good vibes only” – Metasprachliche Praxis im Diskursraum #ToxischePositivität auf Instagram

16:30–17:00

Sebastian Zollner (Greifswald)

„Parlamente stürmen? Na wenn das mal keine Hassrede ist…” – Counter-Speech-Praktiken zwischen reflexiver Positionierungspraxis, diskriminierungssensibler Sprachkritik und metapragmatischen Kämpfen

17:00–17:30

Phillip A. Neumair (Düsseldorf)

„Das Wort ‚Business’ in dem Kontext zu gebrauchen erzeugt bei mir regelmäßig unangenehme Gänsehaut”. Zur Interaktion von Bedeutungsfixierungen und metapragmatischen Positionierungen im Punk-Diskurs

 17:30–17:40

Abschlussdiskussion

18:00

Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft Linguistische Pragmatik e. V.