14:30 Uhr
Überlegungen zur Übersetzungspoetik von Nazım Hikmet
Sevdiye Köksal (Dokuz Eylül Universitaet)
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Sevdiye Köksal (Dokuz Eylül Universitaet)
Der weltberühmte türkische Dichter Nazım Hikmet gab der übersetzerischen Tätigkeit der Türkei in den 30er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts neue Impulse. Anfang der 30er Jahre wurden die von ihm übersetzten Erzählungen periodisch in der Tageszeitung Yeni Gün veröffentlicht. Das sind vorwiegend satirische Erzählungen des russischen Schriftstellers Michail Soschtschenko, die Hikmet „ans Türkische angepasst“ und „auf die Türkei angewandt“ hat. Daher sind die Texte auch übersetzungstheoretisch und -geschichtlich relevant, da sie Beispiele für zeit- und kulturgebundene Übersetzungspraktiken in der frührepublikanischen Türkei liefern. In einem seiner Briefe äußert sich Hikmet zur Übersetzung wie folgt: „Unter Übersetzung verstehe ich nicht die hundertprozentige Wiedergabe des übersetzten Werkes im Türkischen. Das heißt, wenn man beispielsweise einen Roman in seiner Übersetzung liest, sollte man nicht den Eindruck haben, dass ihn ein türkischer Schriftsteller geschrieben hat.“ In dem übersetzten Werk sollte der ausgangssprachliche Schriftsteller nicht durch die Sprache des Übersetzers, sondern durch seine eigene Sprache präsent sein und dazu sei eine Art Stilisierung nötig, so Hikmet. Ausgehend von dieser und ähnlichen Äußerungen zielt dieser Beitrag darauf, die übersetzerische Tätigkeit Hikmets vorzustellen, auf seine Übersetzungspoetik einzugehen und anhand übersetzter Erzählungen die Übersetzungsstrategien des Autors zu exemplifizieren und zur Diskussion zu stellen.
15:00 Uhr
Stile literarischer Übersetzungen als Symptome kultureller Aneignung und Identitätskonstruktion
Mariia Ivanytska (Nationale Taras-Schewtschenko-Universität Kyjiw)
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Mariia Ivanytska (Nationale Taras-Schewtschenko-Universität Kyjiw)
Der Beitrag setzt sich mit Faktoren auseinander, die Entscheidungen eines Übersetzers / einer Übersetzerin als Repräsentanten/in eines kulturellen Raumes beeinflussen können. Anhand der Analyse der biographischen Hintergründe der modernen ukrainischen Übersetzer P. Taraščuk und J. Prochas‘ko, ihrer Übersetzungen und öffentlichen Äußerungen sowie von Interviews werden die Merkmale ihrer sprachlichen Identität (in der Terminologie von J. Karaulow) betrachtet und interpretiert. Im Mittelpunkt stehen dabei literarische und linguistische Prioritäten der Übersetzer, die sich vor allem in der Werk- und Wortwahl niederschlagen.
Auf der verbal-semantischen Ebene kommt die Beherrschung von Sprachen in der Ausdrucksweise der Übersetzer zum Vorschein. Die kognitive Ebene bestimmt die übersetzerische Rezeption und Interpretation des Originalwerkes und wird maßgeblich durch das Weltbild der Übersetzer bestimmt. Die pragmatische Ebene spiegelt Zielsetzungen und Einstellungen der Übersetzer wider; sie wird durch ihre sozialen, politischen und kulturellen Lebensumstände geprägt und manifestiert sich in ihren sprachlichen Handlungen.
Am Beispiel von Kafkas Werken wird gezeigt, dass Taraščuk und Prochas‘ko zwei Übersetzungsstile in der Ukraine repräsentieren: Taraščuks Expressivitätssteigerung und Festhalten an klassischen ukrainischen Vorbildern werden als Nativismus bzw. als postkoloniale Strategie bezeichnet. Prochs’kos Westernisierung wird als Marker seiner Neigung zum Mitteleuropäismus, zur kreativen Entwicklung der Zielsprache, aber zugleich als eine antiimperiale Strategie betrachtet.
15:30 Uhr
Zur Anrede in verschiedensprachigen Übersetzungen eines Populärromans
Hans Giessen (Universität des Saarlandes)
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Autor:in:
Hans Giessen (Universität des Saarlandes)
Dass das Übersetzen stets auch ein kultureller Prozess ist, wird an vielen auch linguistisch beschreibbaren Faktoren deutlich. Ein Beispiel ist die Ansprache, über die – gemäß des theoretischen Konzepts von Brown und Gillmann (1960) – gesellschaftliche Zustände und Relationen wie Macht oder Solidarität ausgedrückt werden. Machtgefälle und ihr Ausdruck ist gemäß Hofstede (2003) eines der wichtigsten kulturellen Unterscheidungskriterien. Wie äußert sich dies konkret? Sprachlich kann dies anhand von Anredekonventionen, Personenwahl (besonders deutlich anhand des typischen "you" in englischen Texten, im Vergleich zum "vous" in französischen Texten), Appellativen, Gebrauch von Vor- beziehungsweise Nachnamen oder noch distanzierteren Formen wie "Monsieur" in französischen Texten ("Veuillez, Monsieur, me donner le stylo s'il vous plaît ?" vs. "Tom, could you please give me the pen") gezeigt werden. Die konkrete sprachliche Umsetzung dieser eben auch kulturellen Übersetzungsleistungen soll anhand von verschiedensprachigen Ausgaben eines populären amerikanischen Romans erfolgen, der von vielen Dialogszenen in unterschiedlichen sozialen Kontexten (und mit unterschiedlichem sozialen Gefälle) geprägt ist: dem Roman The Da Vinci Code von Dan Brown. Wie wird im Original die direkte Ansprache realisiert, wie ‚übersetzt‘ dies die deutsche, aber kontrastiv auch die französische oder die italienische Fassung?