09:30 Uhr
Das Übersetzungsphänomen der Grausamkeit von Grimms Kinder- und Hausmärchen in den 1920er Jahren in Korea
Yeon Soo KIM (Kangwon National Univ.)
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Yeon Soo KIM (Kangwon National Univ.)
In Korea hat die Anzahl der Veröffentlichungen von Übersetzungen fremder Literatur in den 1920er Jahren erheblich zugenommen. Auch KHM wurde in dieser Zeit übersetzt. Im Jahr 1920 hat Oh Cheon Seok Grimms Märchen zum ersten Mal vorgestellt, indem er “Sechse kommen durch die ganze Welt” (장사의 이야기) in einer Jugendzeitschrift, Schülerwelt (學生界,Haksaengge), übersetzt hat. Im Jahr 1922 übersetzte Pang Jeong Hwan vier Grimmsche Märchen und publizierte sie in der Zeitschrift Eröffnung der Welt (開闢,Gaebyeok). 1923 veröffentlichte er drei weitere Märchen in der Kinderzeitschrift Kinder (어린이, Eorini) und in Buchform. Vom 14. Januar 1923 bis zum 3. Juni 1923 wurden 15 Märchen in der Zeitschrift Ex Oriente Lux übersetzt. 1925 übersetzte und veröffentlichte Oh Cheon Seok weitere 12 Märchen. Gerade in dieser japanischen Kolonialzeit entwickelte sich auch die moderne Kinderliteratur und es wurde das moderne Bild des Kindes bzw. das romantische Bild des „reinen Kinderherzens“(동심주의) in Korea herausgestellt, das im Kontext von Nationalismus sowie des Einflusses des westlichen Christentums und der koreanischen Religion ‚Cheondogyo‘ tief verwurzelt ist.
In bisherigen Forschungen wurde einigermaßen ausführlich untersucht, inwiefern übersetzte fremde Literatur zur Vorstellung der ‚kolonialisierten Nation‘, zur Herausbildung eines aufklärerischen Bewusstseins und zur Entdeckung von Begriffen wie „Kinder“ (어린이 eorini) und „Kinderliteratur“ (아동문학) beigetragen hat. Dabei wurden häufig Erzählungen von Oscar Wilde und Hans Christian Andersen als Beispiele für die Analyse ausgewählt, Grimms Märchen allerdings wurden noch recht wenig betrachtet, geschweige denn die Problematik der Übersetzung ihrer Grausamkeit. Daher will ich einerseits dem koreanischen Übersetzungsphänomen dieser Grausamkeit unter dem interkulturellen Aspekt, insbesondere im Vergleich mit der Debatte zwischen den Brüdern Grimm und Arnim, nachgehen. Das Phänomen soll aber andererseits auch im Kontext des „reinen Kinderherzens“ bzw. des Gesichtspunktes, ‚Kinder seien Engel‘, untersucht werden. Dabei werde ich ebenfalls den japanischen Einfluss auf die Übersetzung in Korea sowie die Bildung des sog. ‚modernen Gesichtspunkts‘ und dessen ambivalente Seiten (Nachahmung der japanischen Modernisierung und gleichzeitig die antiimperialistische Meinungsbildung gegen Japan) einbeziehen.
10:15 Uhr
Eine Geschichte aus dem Bücherregal eines Kinderliteraturübersetzers – ein Praxisbericht
Mahmoud Hassanein (FB 06, Johannes Gutenberg Universität-Mainz)
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Mahmoud Hassanein (FB 06, Johannes Gutenberg Universität-Mainz)
Als Literaturübersetzer reserviert man eine oder mehrere Reihen in seinem Bücherregal für die eigenen Bücher, d. h. die Übersetzungen, die man im Laufe der Jahre ‚schreibt‘. Eine Möglichkeit, einem Außenstehenden Einblicke in die eigene Arbeit zu gewähren, besteht darin, dass man ein Buch herausnimmt und dessen Geschichte erzählt: Wie ist man an den Übersetzungsauftrag gekommen? Mit wem hat man zusammengearbeitet? Wie ist man beim Übersetzen vorgegangen? Und warum? Eben um eine solche Geschichte geht es in diesem Beitrag, der sich als Erfahrungsbericht versteht und die germanistische bzw. translationswissenschaftliche Forschung im Bereich kinderliterarisches Übersetzen anregen soll.