Johanna Fernández Castro (Johannes Gutenberg-Universität Mainz)
Ethnografische Texte gelten als Beispiele der ‚Kulturübersetzung’ par excellence. Die bereits in der Kulturanthropologie problematisierten holistischen Formen der Repräsentation anderer Kulturen zu Beginn der ethnologischen Forschung zeigen, wie ein ‚Original’ nach dem ethnologischen Diskurs konstruiert wurde. Eine Lektüre von ethnografischen Texten aus einer Übersetzungsperspektive beweist jedoch, dass es sich bei Kulturübersetzung nicht lediglich um eine einseitige Repräsentation ‚des Anderen’ handelt, sondern um eine reziproke und interaktive Praxis der Übersetzung und Vermittlung während der ethnologischen Feldforschung. Am Beispiel von ethnografischen Texten der deutschen ethnologischen Amazonasforschung (1884-1914) lassen sich konstituierende Elemente der Kulturübersetzung identifizieren: Praktiken der Wissensproduktion und Repräsentation im ethnologischen Diskurs (Benennen, Klassifizieren, Texte verfassen), Praktiken der Sprachvermittlung (Dolmetschen, Relais-Dolmetschen und Übersetzen, kollaboratives Übersetzen), ebenso wie Austauschprozesse wie die gegenseitige kulturelle Aneignung, der Tauschhandel und die Kommodifizierung von Dingen / Artefakten. Kulturanthropologische und translationswissenschaftliche Herangehensweisen bei der Lektüre ethnografischer Quellen ermöglichen eine mikrohistorische Untersuchung des sozialen Feldes der Kulturübersetzung, in der traditionelle Auffassungen ‚des Anderen’ destabilisiert werden.
15:15 Uhr
Zur Darstellung kultureller Differenzen im Werk Stefanie Zweigs
In dem Beitrag soll die Darstellung kultureller Differenzen im Werk Stefanie Zweigs untersucht werden. Stefanie Zweig lebte von 1938 bis 1947 mit ihren Eltern im Exil in Kenia. Die von ihr dargestellten kulturellen Differenzen zwischen den Afrikanern und den deutsch-jüdischen Flüchtlingen betreffen vor allem zwei Bereiche: die Einstellung zum Tod, der von den afrikanischen Einheimischen mit Ergebenheit akzeptiert wird, sowie die Position der Frau, für die der Mann bezahlen muss. Diese kulturellen Differenzen schildert Zweig in ihrem Werk immer wieder; so vor allem in den Romanen Ein Mundvoll Erde (1980), Die Spur des Löwen (1981), … doch die Träume blieben in Afrika (1998) und Wiedersehen mit Afrika (2002). Diese Darstellungen sollen in ihren verschiedenen Kontexten untersucht werden und es soll gezeigt werden, dass die Differenzen einerseits unüberbrückbar sind, andererseits jedoch zum Teil die kulturelle Identität der Flüchtlinge nachhaltig beeinflussen.