08:30 Uhr
Verbreitung und Auswirkungen arbeitsbezogener erweiterter Erreichbarkeit auf Gesundheit und Life-Domain-Balance von Beschäftigten
Nina Pauls, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Institut für Psychologie
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Autor:innen:
Nina Pauls, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Institut für Psychologie
Barbara Pangert, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Heinz Schüpbach, Fachhochschule Nordwestschweiz
Fragestellung: Neue Informations- und Kommunikationsmedien ermöglichen es vielen Beschäftigten, auch außerhalb der regulären Arbeitszeit und unabhängig vom regulären Arbeitsort für Dienstliches erreichbar zu sein und zu arbeiten. Es soll geklärt werden, wie sich dieses Phänomen der „ständigen Erreichbarkeit“ auf Gesundheit und Life-Domain-Balance von Beschäftigten auswirkt.
Untersuchungsdesign: Im Rahmen eines Literaturreviews wurden 23 Studien zur Thematik zusammengefasst. Des Weiteren wurden 1772 Beschäftigte zu Erreichbarkeit, Arbeitsbedingungen, Gesundheit und Life-Domain-Balance befragt.
Ergebnisse: Die Ergebnisse des Literaturreviews zeigen, dass Erreichbarkeit mit privaten und gesundheitlichen Beeinträchtigungen zusammenhängt. Inwiefern dies an der Erreichbarkeit oder anderen Arbeitsmerkmalen liegt, bleibt beim Zusammenhang mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen unklar. Die Befragungsergebnisse zeigen, dass Erreichbarkeit auch dann noch mit Beeinträchtigungen von Gesundheit und Life-Domain-Balance zusammenhängt, wenn andere Arbeitsmerkmale wie z. B. Tätigkeitsspielräume und Zeitdruck kontrolliert werden. Des Weiteren wird deutlich, dass unterschiedliche Berufe in unterschiedlichem Ausmaß von Erreichbarkeit betroffen sind.
Limitationen: Bei der Befragung handelt es sich um eine Querschnittsbefragung, Ursache-Wirkungs-Aussagen können nicht getroffen werden. Aus ökonomischen Gründen konnten nicht durchgängig umfassende Skalen verwendet werden.
Theoretische/Praktische Implikationen: Die Ergebnisse zeigen, dass sich betriebliche Gesundheitsförderung dem Thema der „ständigen Erreichbarkeit“ annehmen sollte und geben Hinweise darauf, welche Berufsgruppen in den Fokus zu nehmen sind. Weitere Studien sollten u.a. klären, welche individuellen und betrieblichen Umgangsweisen mit neuen Medien helfen können, um deren Risiken zu reduzieren und Chancen zu nutzen.
Relevanz/Beitrag: „Ständige Erreichbarkeit“ stellt Unternehmen und Beschäftigte vor neue Herausforderungen. Bislang war weitgehend unklar, welche Konsequenzen für Gesundheit und Life-Domain-Balance damit einhergehen.
08:50 Uhr
Die Rolle von Cyberslacking im Kontext von Telearbeit und Life-Domain Konflikten
Fabiola Gattringer, Johannes Kepler Universität
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Autor:innen:
Fabiola Gattringer, Johannes Kepler Universität
Bernad Batinic, Johannes Kepler Universität Linz
Fragestellung
Der Einsatz digitaler und „neuer“ Medien im Arbeitsalltag erleichtert in vielen Berufen die Heim- und Telearbeit. Diese Möglichkeit bringt jedoch auch Herausforderungen für Arbeitgeber/innen und Arbeitnehmer/innen mit sich, wie beispielsweise das sogenannte „Cyberslacking“. Damit wird die nicht-arbeitsrelevante Nutzung des Internets während der Arbeitszeit bezeichnet.
Diese Studie untersucht, inwieweit Telearbeit Life-Domain-Konflikte (Beruf, Privatleben) reduzieren kann, und welche Rolle Cyberslacking dabei spielt.
Untersuchungsdesign
938 Erwerbstätige wurden mittels Onlinepanel hinsichtlich der Nutzung von Heim- und Telearbeit-Arrangements, Life-Domain-Konflikten und Cyberslacking-Verhalten befragt.
Ergebnisse
Ergebnisse zeigen, dass mit zunehmender Telearbeit Life-Domain-Konflikte reduziert werden. Dabei spielt das Cyberslacking-Verhalten eine zentrale Rolle, speziell bei Erwerbstätigen, die vorwiegend nicht Heim- und Telearbeit nutzen.
Limitationen
Aufgrund der vorliegenden Querschnittsdaten können keine kausalen Schlussfolgerungen getroffen werden. Die Validität der Ergebnisse sollte durch objektive Daten überprüft werden.
Theoretische/Praktische Implikationen
Die Ergebnisse ermöglichen in zukünftigen Forschungsvorhaben eine differenziertere und fokussiertere Betrachtung und Abgrenzung des Phänomens „Cyberslacking“, auch in Bezug auf andere Outcomes (wie Arbeitszufriedenheit, Commitment).
Relevanz/Beitrag
Im Fokus steht die noch wenig betrachtete Beziehung von Heim- und Telearbeit-Nutzung mit dem Auftreten von Cyberslacking und in Folge mit Konflikten zwischen Beruf und Privatleben.
09:10 Uhr
Abgrenzung der Lebensbereiche lernen – Effekte einer Boundary Management Intervention auf Boundary Management, Erholung und Wohlbefinden
Elisa Feldmann, Universität Heidelberg
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Autor:innen:
Elisa Feldmann, Universität Heidelberg
Miriam Rexroth, Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI)
Karlheinz Sonntag, Universität Heidelberg
Fragestellung: Die Studie stellt die Evaluation einer Boundary Management Intervention dar, indem deren Auswirkungen auf Boundary Management, Erholung und Wohlbefinden erforscht wurden.
Untersuchungsdesign: Es wurde ein zweitägiges Training zur Abgrenzung der Lebensbereiche entwickelt und basierend auf einem quasiexperimentellen Design durchgeführt. Die finale Stichprobe umfasste 64 Beschäftigte eines großen, internationaltätigen deutschen Unternehmens: 37 Personen befanden sich in der Experimentalgruppe und 27 Personen in der Kontrollgruppe. Die Variablen wurden direkt vor der Intervention und zwei Wochen nach der Intervention erfasst.
Ergebnisse: Kovarianzanalysen zeigten in der Experimentalgruppe im Vergleich mit der Kontrollgruppe einen Anstieg in Boundary Management und gedanklichem Abschalten von der Arbeit nach der Intervention. Konträr zu den Hypothesen wurde eine geringere wahrgenommene Kontrolle während der Freizeit festgestellt. Für das Wohlbefinden konnten keine Effekte gefunden werden.
Limitationen: Aufgrund organisationaler Restriktionen war keine Follow-up Erhebung und somit keine Überprüfung der Interventionseffekte nach einem längeren Zeitraum möglich. Zudem bestand das Risiko einer Selbstselektion, da die Teilnahme an der Intervention auf freiwilliger Basis erfolgte.
Implikationen: Die Berücksichtigung von weiteren Variablen (z.B. Arbeitsleistung) und einer zweiten Kontrollgruppe sowie die Durchführung der Intervention an einer heterogeneren Stichprobe stellen Ansatzpunkte für die zukünftige Forschung dar. Sowohl die Beschäftigten selbst als auch die Organisationen profitieren von der Implementierung einer Boundary Management Intervention: Eine effektive Freizeitgestaltung unterstützt den Aufbau neuer Ressourcen, die wiederum zu einem gewissen Anteil in die Arbeit investiert werden können.
Relevanz: Die Studie befasst sich mit der (bislang kaum erforschten) Erlernbarkeit von Boundary Management auf der individuellen Ebene. Das längsschnittliche Design erlaubt die Überprüfung der Interventionseffekte auf Boundary Management, Erholung und Wohlbefinden.
09:30 Uhr
Ist Erreichbarkeit vor/nach der Arbeit eine zusätzliche Arbeitsbelastung?
Renate Rau, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
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Autor:innen:
Renate Rau, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Melanie Hassler, Martin-Luther-Universität
FRAGESTELLUNG: Erreichbarkeit für Arbeitsanforderungen außerhalb der Arbeitszeit zählt nach Arbeitszeitgesetz nicht als Arbeitsbelastung oder als Unterbrechung der Ruhezeit. Zu klären war, unterscheiden sich die Belastungen in der Erreichbarkeitszeit von denen in der regulären Arbeitszeit? Ist die Beteiligung an "Erreichbarkeit" Ausdruck hohen Engagements oder eher von Angst? Unterscheidet sich das Erleben während der Erreichbarkeit für Arbeit in der Freizeit von dem während der Arbeit oder dem in der Freizeit ohne Erreichbarkeit? METHODE: Untersucht wurden aus IT-Unternehmen und einer Stadtverwaltung 98 Beschäftigte mit und ohne Erreichbarkeitsanforderungen. Für die Arbeitsbelastungen während der regulären Arbeit und die während der Erreichbarkeit wurden Arbeits- und Beanspruchungsanalysen mittels Fragebögen und elektronischen Tagebüchern durchgeführt. Im ERGEBNIS zeigte sich, dass die Belastungen in der Erreichbarkeit und während der Arbeit ähnlich waren und die Arbeitsintensität signifikant korrelierte. Die Gruppe der in Erreichbarkeit arbeitenden Beschäftigten unterschied sich nicht hinsichtlich ihres Engagements und dem betrieblichen Commitment von der Gruppe, die ohne Erreichbarkeit arbeitete. Der Anteil auffällig Ängstlicher war aber in der Gruppe der Erreichbaren signifikant größer als in der der nicht Erreichbaren. Intraindividuell waren Freizeitabschnitte mit Erreichbarkeit von deutlich schlechterem Erleben begleitet als Freizeitabschnitte ohne Erreichbarkeit (signifikant höherer positiver Affekt, schlechtere Stimmung, geringeres Kontrollerleben, höheres Belastungserleben). LIMITIERUNG: Das Untersuchungsdesign lässt keine kausalen Erklärungen zu. RELEVANZ/IMPLIKATIONEN: Um zusätzliche Arbeitsbelastungen durch Erreichbarkeit nach der Arbeitszeit und daraus resultierende Fehlbeanspruchungen zu vermeiden sollte die Erreichbarkeit für Arbeitsanforderungen in den Betrieben klar geregelt (wer, wann, für welche Belange) und ggf. durch entsprechende Arbeitsgestaltung verhindert werden (e-mail-Weitergabe auf Zeitfenster begrenzen, Dual-Sim-Handy etc.).
09:50 Uhr
Abschalten oder nicht abschalten? Das ist hier die Frage.
Melanie Hassler, Martin-Luther-Universität
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Autor:innen:
Melanie Hassler, Martin-Luther-Universität
Renate Rau, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Therese Kästner, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Die fortschreitende Nutzung neuer Medien führt dazu, dass viele Beschäftigte neben der regulären Arbeitszeit auch außerhalb dieser dem Unternehmen für Fragen oder Arbeitsaufträge zur Verfügung stehen. Durch diese ständige Erreichbarkeit verschwimmen zunehmend die Grenzen zwischen Erwerbsarbeitszeit und Nicht-Erwerbsarbeitszeit. Bisher gibt es jedoch kaum empirisch abgesicherte Ergebnisse über die Bedeutung ständiger Erreichbarkeit für die Arbeitenden und deren Wirkung auf die Gesundheit. Da die Erreichbarkeit für Arbeitsanforderungen die Erholungszeiten beeinträchtigt (zeitliche Reduktion, Fragmentierung der Freizeit etc.) wurde angenommen, dass sich dies in Beeinträchtigungen der Erholung in Form von Erholungsunfähigkeit, Erschöpfung, Schlafstörungen auswirkt.Insgesamt wurden 126 Personen aus einem IT- und einem Versorgungsunternehmen mit und ohne Erreichbarkeitsanforderungen untersucht. Dabei wurden Arbeits- und Beanspruchungsanalysen, Erholungsanalysen inkl. 24-Stunden-Blutdruckmonitoring und ein strukturiertes Interview zu Merkmalen der Erreichbarkeit durchgeführt. Im Ergebnis zeigte sich, dass in der Gruppe mit Erreichbarkeitsanforderungen signifikant mehr Personen erholungsunfähig waren als in der Gruppe ohne Erreichbarkeitsanforderungen. Außerdem wurden für mehrere Merkmale der Erreichbarkeitsanforderungen wie Anzahl bearbeiteter E-Mails oder Anzahl der Kontaktierungen in der Nicht-Erwerbsarbeitszeit Beziehungen zu Erholungsbeeinträchtigungen in Form erhöhter vitaler Erschöpfung, Erholungsunfähigkeit und Schlafstörungen gefunden. Die Ergebnisse geben Anlass, Erreichbarkeit für Arbeitsanforderungen vor/nach der regulären Erwerbsarbeit als zusätzliche Arbeitsbelastung zu bewerten, die bei Gefährdungsbeurteilungen berücksichtigt werden sollte. Auch scheint eine Diskussion der Erreichbarkeitsanforderungen vor dem Hintergrund der Regelungen zur Ruhezeit im Arbeitszeitgesetz notwendig.